artibeau : kunst in bochum - umsonst und draußen

Olympia-Hymne (1972)

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Wolf Vostell (1932-1998)
1972
Beton

Wolf Vostell gilt als einer der Pioniere des Environment, der Videokunst, des Happening und der Fluxus-Bewegung. Techniken wie die Verwischung oder die Décollage waren ebenso ein Kennzeichen der Werke von Wolf Vostell wie das Einbetonieren.

1970 begegnete Vostell der Galeristin Inge Baecker aus Bochum, die im selben Jahr ihre Galerie in Bochum eröffnete. Eine langjährige Zusammenarbeit begann. Im Juni 1972 veranstaltete die Galeristin in und mit dem Ruhr-Park die „1. Bochumer Kunstwoche“. Neben anderen Künstlern war Wolf Vostell mit einer Kunstaktion zum Thema „Konsumgesellschaft“ vertreten. Im selben Jahr zeigte auch das Kunstmuseum Bochum eine Ausstellung mit Werken von Wolf Vostell

Die gebrauchte Ladentheke des Metzgers Herker aus Bochum-Wiemelhausen wurde samt dem vorhandenen Geld in der Kasse und einigen Broten verschalt und einbetoniert. Die Grundidee von Wolf Vostell war:

„Die menschlichen Zwänge/Depressionen und Notlagen bilden die Olympia Hymne als Gegensatz zur Olympiade 1972 in München, die als Staatsreklame (= Pseudo-Ereignis) keine Rücksicht auf die arbeitenden Menschen nimmt.
Die Verbesserung des Lebens ist die Olympiade - und nicht die Sekunde beim 100 m Lauf.“

Dementsprechend stellte Vostell der einbetonierten Theke Fotos von realen Bochumer Arbeiterwohnungen gegenüber.

„Bei den olympischen Spielen werden Millionen von Mark für unnützes Zeug und für eine miese Leistungs-Ideologie verpulvert. Was wir brauchen, sind keine Olympischen 'Spiele, sondern Aktionen, die den Menschen klarmachen, welche Frustrationen ihnen diese Leistungsgesellschaft aufzwingt.“

Vostell erwartete nicht, dass sich seine Kunst dem unbedarften Betrachter auf Anhieb erschließt:

„Die Leute stehen meinem Betonklotz genauso sprachlos gegenüber, wie den Olympischen Spielen, einem Pseudo-Ereignis, das als Staatsreklame keine Rücksicht auf die arbeitenden Menschen nimmt. ... Es wird der Gesellschaft suggeriert, dass sie überall teilnehmen ... kann. Jedoch sind das alles nur Pseudo-Erlebnisse in Form von Konserven, Klischees und Reflexionen.“

„Man muß sich lange damit beschäftigen. Ich verstehe auch nichts von Gehirnchirurgie.“

Der Titel „Olympia-Hymne“ bezieht sich auf die später stattfindenden Olympischen Sommerspiele 1972 in München, die durch die Geiselnahme und Ermordung israelischer Athleten traurige Berühmtheit erlangt haben.

Die einbetonierte Fleischertheke wurde dem Kunstmuseum Bochum geschenkt und fristet neben dem Museum ein eher unbeachtetes Dasein. Unter dem Beton kann man durch Risse und Spalten die Theke und die Registrierkasse erahnen.

Standort:
Kunstmuseum Bochum
Bergstraße / Schillerstraße
44787 Bochum

Siehe auch:
Am Kunstmuseum Bochum:
Steinskulptur Westfalenbank
Sculpture du Sol
Nebenfluss
Konstruktion 1937
Bataille
Grande Ruota
Skyline

Nachlesen:
Wikipedia: Wolf Vostell
Galerie Baecker: Wolf Vostell, Vita
Galerie Baecker: Wolf Vostell, Texte
Ausstellungen von Wolf Vostell in der Galerie Baecker
Galerie Baecker: Galeriegeschichte
virtuelles museum moderne nrw: Wolf Vostell
RUB rubin: Aktionskunst in NRW
DER SPIEGEL: Happening (12.06.1972)
Aachener Nachrichten, 21.06.1972: Klaus Morgenstern im Gespräch mit Wolf Vostell.
Katalog zur Ausstellung "Inge Baecker Bochum - Fluxus Ruhrgebiet" (25.8.-21.10.2012)

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Chronologie 1957-1980

1957  Am 30.Mai wird der neue Hauptbahnhof in Bochum eröffnet.

1957  Am 5. Oktober 1957 gelingt es Heinz Kaminski, die Signale des Satelliten Sputnik zu empfangen.

1957  Der Bergbau erreicht seine größte Bedeutung in der deutschen Geschichte. Rund 600.000 Bergleute fördern 149 Millionen Tonnen Steinkohle. Das Revier erbringt 12,3 Prozent der westdeutschen Wirtschaftsleistung.

1958  Die Kleinzeche „Lieselotte“ wird am 30. September als erste Zeche in Bochum geschlossen, damit beginnt das Zechensterben im Ruhrgebiet.

1958  Innerhalb von nur zehn Jahren werden 78 Schachtanlagen geschlossen. Die Zahl der Beschäftigten halbiert sich. Importkohle und Erdöl ersetzen die heimische Steinkohle.

1959  Der Wiederaufbau der Probsteikirche wird abgeschlossen.

1960  Das Adam Opel AG Werk Bochum I wird gebaut.

1960  Eisen und Stahl haben Hochkonjunktur. Es gibt Vollbeschäftigung im Ruhrgebiet. Zunehmend werden Gastarbeiter eingestellt.

1961  Im Wahlkampf verspricht Willy Brandt erstmals den „blauen Himmel über der Ruhr“. Niemand nimmt das wirklich ernst.

1961  Bochum errichtet die erste geordnete Mülldeponie in Deutschland.

1962  Die Adam Opel AG eröffnet die erste von insgesamt drei Produktionsstätten in Bochum. Die Werke Bochum II/III werden errichtet. Opel schafft bis zu 20.000 Arbeitsplätze.

1963  Der autobahnähnliche Ausbau des Ruhrschnellweg zwischen Essen und Unna wird nach fast zehn Jahren Bauzeit abgeschlossen.

1963  Der Autobestand im Ruhrgebiet hat sich seit 1949 mehr als verzehnfacht .

1964  wird in der Bundesrepublik offiziell der einmillionste Gastarbeiter begrüßt. Er bekommt ein Mofa geschenkt.

1964  Das Zeiss Planetarium Bochum wird eröffnet.

1964  Am Ruhrschnellweg in Harpen wird das Ruhr-Park Einkaufszentrum als zweites in Deutschland eröffnet.

1965  Die Ruhr-Universität Bochum, erste Hochschule im Revier, wird eröffnet.

1966  Das letzte Grubenpferd geht in Rente (22. Juni Tobias, Zeche General Blumenthal, Recklinghausen, Gedenktafel am Bergbaumuseum).

1966  Das Kammerspielhaus am Schauspielhaus Bochum wird eröffnet.

1967  Mit Lothringen schließt die 51. Zechenanlage an der Ruhr.

1968/69  Die Ruhrkohle AG, RAG, wird gegründet.

1971  Der VFL Bochum steigt auf in die erste Bundesliga.

1972  Peter Zadek wird Intendant am Schauspielhaus Bochum.

1973  Die letzte Zeche in Bochum wird stillgelegt (Hannover/Hannibal)

1973  Die erste Ölkrise gipfelt in Sonntagsfahrverboten.

1973  Es gibt einen Anwerbestopp für Gastarbeiter außerhalb der EG.

1974  Erste S-Bahnen fahren im Revier (S1, S3)

1976  Erste Tempo-30 Zone in Bochum auf Betreiben einer Bürgerinitiative.

1977  Terminal von Richard Serra auf der documenta 6 in Kassel. Von Bochum gekauft, 1979 aufgestellt.

1979  Ruhrstadion (Rewirpower-Stadion) eröffnet.

1980  Der Kemnader Stausee wird freigegeben.

1980  Der RVR veranstaltet den ersten „Tag des Radfahrens“ im Revier.

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